Von der guten Hoffnung

05.05.2015

So lange ich denken konnte, wollte ich Kinder haben. Ich fing schon sehr früh an, auf Kinder und Babys aufzupassen und wusste tief in mir: Ich will eine Familie!
Mir war damals noch nicht bewusst, dass dieser Lebenstraum keiner ist, den ich einfach verwirklichen kann, weil ich es eben so sehr will. Denn eine Familie gründet man schließlich nicht allein. Und selbst wenn man den Lebenspartner gefunden hat – und dieses Glück hatte ich – muss man ja auch noch schwanger werden.

Schon mit 16 Jahren sagte mir meine erste Frauenärztin, dass meine Hormone nicht im richtigen Gleichgewicht wären und ich besser mal die Pille nehmen soll. Damals fand ich das cool! Die Pille machte doch irgendwie erwachsen und bereitete darauf vor, zur Frau zu werden. Also nahm ich sie, meine Periode pendelte sich ein und auch die furchtbaren Schmerzen, die ich bis dahin hatte, nahmen schnell ab.
Einige Jahre später fiel dann der ominöse Begriff PCO-Syndrom. Ich hatte die Pille abgesetzt und wieder keinen richtigen Zyklus gehabt. Mein damaliger Gynäkologe erklärte mir, dass ich die Pille weiter nehmen müsse, um größere Schäden an meinen Eierstöcken zu verhindern. Zum ersten Mal wurde mir so richtig bewusst, dass ich vielleicht nicht so einfach Kinder bekommen kann wie ich das wollte.

In den folgenden Jahren stieg meine Angst, nicht rechtzeitig Mutter zu werden, den Mann an meiner Seite zu spät zu finden. Kommentare wie: „Ab 30 wird es immer schwerer schwanger zu werden!“, schwirrten in meinem Kopf herum. Und als ich meinen Mann kennen und lieben lernte war ich verzweifelt. Er war (und ist) fünf Jahre jünger als ich, studierte noch und ich konnte mir so überhaupt nicht vorstellen, dass er „rechtzeitig“ bereit wäre, sich fest zu binden und auch noch recht schnell eine Familie zu gründen. Wir redeten offen über meine Ängste, unsere Wünsche und Vorstellungen und balancierten manchmal auf dem schmalen Grat zwischen Ehrlichkeit und Druck. Aber er war immer so zuversichtlich und sicher, dass ich beschloss, Vertrauen zu haben.

Wir heirateten im Juli 2010 und hatten schon kurz zuvor das erste Gespräch mit meiner Frauenärztin. Schließlich hatte ich Angst, die Pille einfach abzusetzen und damit vielleicht alle Chancen auf eine Schwangerschaft zu ruinieren. Mir wurde niedrig dosiert Kortison verschrieben und wir hofften. Doch außer, dass ich in einem halben Jahr 13 kg zunahm, hatte die Therapie keinen Erfolg. Wir wechselten zu den Profis ins Kinderwunschzentrum. Nach dem ersten Termin saß ich heulend und gedemütigt im Auto. Wir blieben dran, hielten die Maschinerie aus, gewöhnten uns daran, dass Kinderkriegen für uns nichts romantisches mehr haben würde, hielten fest zusammen. Ich ertrug die Hormone, ständige Blutentnahmen, eine OP und die Telefonate, in denen mir gesagt wurde, dass ich nicht schwanger sei und wir gleich einen neuen Termin ausmachen können.
Es war manchmal schrecklich, doch tief in mir, hatte ich Vertrauen und das Gefühl, dass es klappen würde.

Nach insgesamt eineinhalb Jahren war es fast nicht zu glauben. Ich war schwanger. Ich war überwältigt, freute mich und fieberte auf den bestätigenden Termin hin. Dieser war dann erst einmal, na sagen wir mal, nicht so schön. Der Arzt schallte und fand die Fruchthöhle in der Gebärmutter. Leider hatte er wohl einen schlechten Tag, denn, obwohl mein Mann und ich beide der Meinung waren, dass wir einen Punkt in der Fruchthöhle gesehen haben, sagte er, dass er noch nichts sehen könne, was aber zu diesem Zeitpunkt nichts heißen müsse. Ohne Gratulation, ohne Lächeln schickte er uns nach Hause – mit einem Bild der leeren Fruchthöhle in der Hand. „Kommen Sie in 10 Tagen wieder!“

Die folgenden Tage waren für mich die Hölle. Ich hatte solche Angst und war so am Ende, ich kann es gar nicht in Worte fassen. Schließlich brach ich heulend zusammen als meine Mutter zu Besuch kam. Sie war empört und empfahl mir, dort anzurufen und zu fordern, dass schon früher erneut untersucht wird. Doch während ich weinte, die ganze Anspannung rausließ, legte sich im Inneren ein Schalter um. Mir wurde klar: Ab jetzt werde ich immer Angst haben und mir Sorgen machen, aber das darf mich nicht beherrschen. Ich entschied mich bewusst für Vertrauen und wies die Angst in ihre Schranken. Ich war endlich guter Hoffnung!

Ich bin dankbar, dass meine Tochter gesund geboren wurde und unser Leben seither täglich reicher und heller macht. Es ist wirklich so schön, Mutter zu sein, wie ich es mir vorgestellt hatte. Es ist auch noch intensiver, anstrengender und herausfordernder, es bringt mich an meine Grenzen und darüber hinaus. Doch selbst an Tagen, die mich in den Wahnsinn treiben gibt es immer auch das Bewusstsein, dass ich glücklich bin.

Jetzt bin ich wieder guter Hoffnung und trage mein zweites Kind unter meinem Herzen. Es kam einfach so zu uns, kurz nachdem wir beschlossen hatten, uns nicht noch einmal in die Hände der Reproduktionsmedizin zu geben. So durfte ich doch noch erfahren wie es ist, wenn man seinem Mann völlig unerwartet einen positiven Schwangerschaftstest präsentiert. Der Blick – unbezahlbar!

Eure Julia aus der guten Kinderstube

 

5 Comments

  • Schön, wieder was von Dir zu lesen! Und auch hier nochmal: Herzlichen Glückwunsch! Da haben wir ja eine sehr ähnliche Geschichte hinter uns, ich habe unsere hier beschrieben:
    http://fruehlingskindermama.blogspot.de/2015/03/unsere-ungeplante-familienentstehung.html

    Ich wünsche Dir alles Gute für die Schwangerschaft und werde alles weiter verfolgen.
    Liebe Grüße!

    • Julia sagt:

      Wow, da haben wir ja wirklich sehr ähnliche Geschichten. Wobei wir natürlich Glück hatten, dass wir keine Fehlgeburt mitmachen mussten und es letztendlich doch recht schnell ging, im Vergleich zu vielen anderen Paaren.
      Aber schön, dass wir jetzt Mütter sein dürfen und sich unser Traum erfüllt hat.
      Liebe Grüße!

  • Anonym sagt:

    Schöne Geschichte, ich freue mich so sehr für euch! Ich kann sehr gut nachvollziehen was es bedeutet, diese Angst..vielleicht nie ein Kind zu gebären. Auch ich wünsche mir seit Teenagertagen Kinder und war furchtbar erleichtert als ich merkte: ich kann schwanger werden 🙂 (ich war vorher verunsichert durch eine starke Schilddrüsenunterfunktion). Und nun ist unser "Großer" 1,5 Jahre und ein Geschwisterchen hat sich bereits angekündigt;-) Ich fühle mich gesegnet…

  • Julia sagt:

    Ja, es gibt so viele Paare, bei denen es nicht so einfach ist, wie man sich das vielleicht sonst so vorstellt. Aber irgendwie ist diese Angst oft ein Tabuthema.
    Schön, dass es bei Dir auch geklappt hat!!

  • Anonym sagt:

    Ui, wie schön! 🙂 Ich gratuliere von Herzen und wünsche dir eine tolle Schwangerschaft!
    LG Melanie

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