Keine Strafen in der guten Kinderstube

03.26.2017

Ich las heute diesen Artikel von Mara, da er mir mehrere Male in meine Timeline gespült wurde und die Reaktionen darauf sehr positiv waren. Ich wünsche mir zwar keine „Revolution für unser Familienleben“, bin an guten Tipps für den Alltag mit Kindern jedoch durchaus interessiert.

In dem Artikel geht es um das Aufräumen und darum, sich für den Anderen Mühe zu geben. Mara hat ihren Kindern gesagt, dass sie sich gerne Mühe für sie gibt, aber dafür auch Mühe von ihnen zurück bekommen will. Wenn sie also Jacken aufhängt und den Kindern hinterher räumt, schreibt sie den Kindern Aufgaben aus dem Haushalt auf ihre Liste. Diese müssen sie im Laufe der Woche erledigen, sonst können sie am Samstagabend nicht am Familienkino teilnehmen.
Das ist jetzt sehr gekürzt, bitte lest in Ruhe ihren Artikel.

Ich kann den Wunsch, dass die Kinder im Haushalt mithelfen gut verstehen. Hey, ich bin jeden Tag bis zu 14 Stunden mit zwei Kindern zuhause. Na gut, wir gehen auch raus, jetzt wieder mehr, im Sommer sehr viel. Doch ohne Kita sind wir eben viel hier und das Chaos ist unser Begleiter.

Und ich mag das Chaos auch nicht so gerne. Tatsächlich war ich noch nie nur ordentlich, dabei mir doch deutlich bewusst, dass das erwartet wird. Vor allem von mir als Mädchen/Frau.
Erwartungen sind jedoch für mich nicht gut, denn wenn so viel Druck aufgebaut wird, sträube ich mich oft, dann wird der Berg immer höher und am Ende verlangt es mir viel ab, endlich mit in diesem Fall der Hausarbeit anzufangen.

So war das bis vor Kurzem – und manchmal gerate ich da noch immer hinein, wenn Schlafentzug und Geschwisterstreit meine Nerven matschig werden lassen. Doch im Laufe meines Mutterdaseins hat sich viel geändert.

Gelassenheit

Ich mag es ordentlich und sauber. Spaß, Spielen, Lachen und die Freude meiner Kinder, wenn sie alleine etwas geschafft haben liebe ich noch mehr!
Also wurde ich gelassener, was das Chaos angeht, das dabei entsteht. Indem ich mir vor Augen führe, wie viel Positives gerade passiert und wie wenig Arbeit das hinterher eigentlich wirklich ist, bzw. wie unwichtig Ordnung letztendlich dann doch ist, kann ich besser damit umgehen.

Ich muss nicht müssen

Ich habe für mich vor einiger Zeit das MÜSSEN abgeschafft. Ich WILL Ordnung. Manchmal will ich Ruhe mehr und lasse alles für den nächsten Tag liegen. Dann wieder bevorzuge ich es, aufzuräumen und mich am Ergebnis zu erfreuen. Nicht zu müssen befreit mich in vielen Bereichen sehr.
Und damit es nicht zu schwer wird, einen Anfang zu finden – ihr wisst ja, der Berg, die Motivation, Hurz! – , gönne ich mir seit meiner letzten Schwangerschaft alle ein bis drei Wochen für zwei Stunden eine Putzhilfe.

Selbstregulation

Wir freuen uns alle auf den Tag, an dem unsere kleinen Kinder ihre Emotionen selbst regulieren können und sie in einem gesellschaftlich anerkanntem Maß ausleben. Wir sagen Nein und sie rasten manchmal heftig aus, was für alle Beteiligten schwer zu ertragen ist und viel Energie kostet.

Ich habe Selbstregulation tatsächlich als Kind nicht wirklich gelernt. Ich wusste ganz klar, was von mir erwartet wird und habe daher alle negativ konnotierten Gefühle versucht zu verdrängen oder sie wurden in selbstdestruktive Gedanken umgewandelt. Ich wirkte, denke ich, insgesamt gut reguliert.

In den letzen Jahren habe ich mich damit intensiv beschäftigt und so langsam lerne ich, mit der Wut und dem Frust, den ich empfinde, wenn meine Kinder nicht „einfach machen was ich will“, umzugehen ohne dafür entweder den Auslöser (z. B. meine Kinder), noch mich fertig zu machen. Ersteres klappt schon oft gut und ich bleibe in allem, was ich sage, bei mir. Letzteres versuche ich durch positive und lösungsorientierte Gedanken zu ersetzen und werde immer besser.

Wissen

Ich habe viel über die Entwicklung von Kindern, darüber wie wir lernen und über Beziehungen gelernt. Meine Kinder sind wunderbare Lehrmeister und haben mich auf diesem Weg keine wichtigen Themen übersehen lassen. Vor dem Hintergrund dieses Wissens kann ich mich heute ganz anders entscheiden als es mir früher möglich war.
So denke ich jetzt nicht mehr „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr.“, sondern weiß, dass bestimmte Fähigkeiten erst in einem bestimmten Alter erlernt werden. Und meine Kinder zeigen mir so oft, dass ich da vollstes Vertrauen haben darf. Das fühlt sich ganz wunderbar an.

Zurück zum Ausgangspunkt

Nun habe ich auf Twitter geschrieben, dass die von Mara beschriebene Methode nichts für uns wäre, weil ich in einer Liebesbeziehung weder möchte, dass der Andere etwas aus Angst vor Strafe tut noch, dass meine Kinder lernen, dass es für alles, was sie tun eine Gegenleistung geben muss.

Doch was ist die Alternative? Kinder müssen doch lernen, dass sie helfen müssen. Sie müssen doch Aufgaben übernehmen. Das Haus muss doch so ordentlich sein, dass sich alle darin wohlfühlen. Jemand sagte auch, das sei schließlich eine Frage des gegenseitigen Respekts, den Kinder auch lernen müssen.

Puh! Da wird sehr viel gemusst, was ich sogar gut nachvollziehen kann. Und ich finde trotzdem, dass sie es nicht müssen. Aber eins nach dem anderen.

Das Haus muss ordentlich sein

Nein. Wir WOLLEN ein ordentliches Haus. Die Kinder eventuell nicht. Da liegt ein Konflikt, für den es gilt, Lösungen zu finden. Es ist allerdings nicht undenkbar, dass auch Chaos sein darf. Sogar Dreck bringt so schnell keinen um, macht meist nicht mal krank. Es muss also nicht. Ich kann mir da so viele verschiedene Lösungen vorstellen, wie ich Familien kenne.

Kinder müssen Ordnung lernen

Ich bin fest davon überzeugt, dass Kinder dann lernen, mit Spaß ein gesundes Maß an Ordnung zu halten, wenn sie es vorgelebt bekommen. Da das Thema Aufräumen mich schon mein ganzes Leben lang begleitet, und das nicht als Spaßthema, mag das gar nicht so einfach sein. Gut, dass ich da auch noch lernen darf.

Sehr gerne mache ich mir Musik an oder räume mit meinem Mann gemeinsam auf, während wir uns unterhalten. Oder ich nehme Hilfe von Freundinnen an. Wir essen alle zusammen und räumen dann schnell auf. Viele Hände, schnelles Ende.
Immer öfter helfen die Kinder mit, einfach so. Das ist bei meinen kleinen Kindern nicht immer eine echte Hilfe, doch ich sehe, wie sie sich beteiligen. Meine Tochter (4,5) hat sich schon ohne Aufforderung beteiligt und bemerkt: „Das Aufräumen macht mehr Spaß als ich dachte. Ich bin gut in Ordnung.“ Mit meinem Mann hat sie ein Spiel „Wer räumt schneller auf“ entwickelt, bei dem beide eine Sache aussuchen, die sie schneller wegräumen als der Andere seine Sache. Und der Sohn bietet währenddessen gleich an andere Stelle wieder mehr Spielmaterial.

Meine Kinder sehen, wie viel Arbeit es ist und meine Tochter fängt auch an, das bewusst wahrzunehmen. Wie das weitergehen wird, wenn sie älter werden, weiß ich nicht. Noch sehe ich die Hausarbeit als meine Aufgabe und die meines Mannes an. Ich vertraue darauf, dass wir für uns auch in Zukunft gute Lösungen finden. Im Übrigen lernen meine Kinder hier auch, dass der Papa mehr aufräumt als ich, obwohl er jeden Tag arbeiten geht. Das nur am Rande.

Das ist eine Sache des Respekts

Meine Kinder respektieren meine Wünsche genau so, wie ich ihre. Ich habe da sehr gute Erfahrungen gemacht. Mit Strafen zu drohen und so ein Funktionieren zu erzwingen hielte ich für schädlich für unsere Beziehung. Für mich fühlt sich das nicht nach Respekt, sondern nach Angst an. Unter Angst lernen wir allerdings am denkbar schlechtesten, weil unser Hirn da mit ganz anderen Dingen beschäftigt ist. Und selbst wenn die Kinder die Angst im Alltag so stark nicht wahrnehmen, würde ich befürchten, Ihnen die intrinsische Motivation zu rauben.

Kinder wollen kooperieren. Wenn sie es nicht tun, haben sie immer gute Gründe. Dann liegt es an uns als Eltern herauszufinden, wie wir ihnen helfen können. Vielleicht übernehmen wir für einige Zeit die Hausarbeit komplett, weil wir finden, dass sie genug andere Dinge auf dem Tablett haben? Vielleicht entwickeln wir mit unseren größeren Kindern gemeinsam eine Plan, den sie auch für gerecht halten? Vielleicht haben sogar alle an vielen Arbeiten Spaß und es gibt gar nicht so viele Probleme? Vielleicht müssen manche Dinge auch gar nicht mehr gemacht werden?

Ich kann für mich nur sagen, Strafen werden in unserer Familie nie eine Lösung sein.

Eure Julia aus der guten Kinderstube

1 Comment

  • rage sagt:

    Oh Julia!! Danke für diesen Text. Manchmal habe ich das Gefühl noch ganz am Anfang zu stehen. Denn dieses ewig große MUSS – ich finde es furchtbar und meine Kids auch. Trotzdem will ich es hier Zuhause übersichtlich haben. Wir leben Minimalismus vor, aber mindestens eins der Kinder ist das absolute Gegenteil und das darf es auch sein. Mein Wunsch wäre dennoch, dass es seine Jacken aufhängt. Ich bin gestern hingegangen und hab meine Klamotten auch komplett auf den Boden gepfeffert. Nicht nur im Flur, sondern durch die gesamte Etage. Da war das Erstaunen groß und alle haben ganz schnell ihre Sachen aufgehangen. Es fällt mir schwer ruhig zu bleiben, es fällt mir aber auch schwer zu schimpfen oder zu strafen. Wie gesagt, wir lösen das MUSS gerade auch ab durch ein wir WOLLEN. Ich freu mich so, diesen Text heute bei dir gefunden zu haben. Und ich frage mich ebenso, wie das werden wird, wenn die Kids älter sind. Wenn sie einfach nicht wollen. Oder wenn ich das dahinter liegende Bedürfnis nicht erkennen kann. Oder wenn es meine Aufgabe ist, eine klare Richtung anzugeben.
    Einen schönen Einstieg in die Woche euch!! :*

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