Vor einer guten Woche ging es mir nicht wirklich gut. Ich habe in dieser Schwangerschaft deutlich mehr mit Zipperlein zu kämpfen als in der ersten. Hinzu kam, dass die heißen Nächte mich fast völlig um den Schlaf brachten – mich, die ich den Sommer doch so liebe und gerne Temperaturen ab 30 Grad habe. Nur eben nachts nicht und nicht hochschwanger. In der letzten heißen Woche streikte dann auch noch mein Kreislauf, so dass ich kaum etwas tun konnte als zu sitzen oder zu liegen.
Als vorletzte Woche dann noch weitere Wehwehchen hinzukamen, war ich den Tränen nahe. Wie sollte ich das noch so viele Wochen aushalten? Ich hatte (und habe teils noch) meiner Tochter gegenüber ein schlechtes Gewissen, weil ich ihrem Bedürfnis nach Toben und Bewegung nicht ausreichend nachkommen kann und meinem Mann gegenüber, weil er hier alles, aber auch wirklich alles auffängt. Dabei gerät auch er über seine Belastungsgrenzen.
Und dann waren da die Nachrichten. Bilder von pöbelnden Rechten in Heidenau, Geschichten von Flüchtlingen, die mich immer wieder zum Weinen brachten. Ich fühlte mich wie gelähmt, machtlos und überfordert. Ich fragte mich, was ich tun könnte. Irgendwie musste ich mich doch für die Flüchtlinge einsetzten können. Ich forschte, welche Hilfen in meiner Umgebung benötigt werden und stellte fest: Hier sind alle schon recht gut versorgt und was noch gebraucht wird, kann ich nicht leisten. Was also sonst tun?
Kurzerhand schrieb ich alle Blogger in meiner Twitter-Timeline an, ohne fertige Idee, einfach aus dem Wunsch heraus, unsere Möglichkeiten zu nutzen, uns zu vernetzen und zu sehen, was daraus entstehen kann. Schließlich hatten es größere BloggerInnen schon öfter geschafft, mit Artikeln oder Aktionen eine breite Diskussion in der Gesellschaft anzustoßen. Warum sollten wir das nicht einsetzen?
In kürzester Zeit stellte ich fest, dass es den anderen Bloggern ganz genauso ging wie mir. Alle wollten gerne Zeichen setzen und Rufen wie „Dreck muss weg!“ etwas Menschlichkeit entgegensetzen. Keiner wollte akzeptieren, dass „der Wind sich dreht“ (Kommentar bei FB).
Als ich zwei Stunden später wieder online sein konnte, hatte eine Bloggerin schon eine Facebookgruppe zum Austausch erstellt und es wurden eifrig Ideen gesammelt. Anna von berlinmittemom schlug vor, dass wir uns der gerade formierten Idee ihres Bekannten, Nico Lumma, unter dem Hashtag #bloggerfuerfluechtlinge anschließen. Gesagt getan! Nico brachte Anna mit Paul Huizing in Kontakt, der mit Nico Lumma, Stevan Paul und Karla Paul gemeinsam die Aktion #bloggerfuerfluechtlinge mit einer Spendenaktion bei betterplace.org ins Leben gerufen hatte.
Seither hat sich mehr getan als ich hier (be-)schreiben könnte. Die gemeinsame Facebookgruppe hat bereits fast 1300 Mitglieder, der Spendenstand könnte heute die 50.000 € Marke knacken und wir hatten in Nullkommanichts auch eine eigenen Website: blogger-fuer-fluechtlinge.de
Fast rund um die Uhr tauschen sich Menschen aus, werfen ihre Ideen in die Runde, finden sich zusammen, starten aktive Hilfe vor Ort in den Flüchtlingsunterkünften und engagieren sich auf allen Kanälen. Vieles davon könnt ihr in einem der über 200 verlinkten Blogbeiträge nachlesen.
Blogger, ITler, Designer, Gestalter, Journalisten, Juristen und so viele mehr bringen ihr Know-how ein, um möglichst viele Aktionen auf allen Ebenen möglich zu machen. Es wird mehr und mehr über uns berichtet und die ersten Unternehmen kommen auf uns zu, um Projekte anzuleiern oder zu unterstützen. So zum Beispiel MyPostcard, die es möglich macht, dass jeder mit der dazugehörigen App KOSTENLOS eine Karte an eine Flüchtlingsunterkunft versenden kann. Dies haben gestern rund 750 Menschen genutzt und den Flüchtlingen in Heidenau gezeigt, dass sie hier von den allermeisten Menschen sehr wohl willkommen geheißen werden.
Und ich? Es geht natürlich nicht primär um mich, aber: Mir geht es besser. Mir ist zwar deutlich bewusst, dass ich das eigentliche Leid der Flüchtlinge, der Vertriebenen nicht lindern oder gar verhindern kann. Doch ich kann im Kleinen, in meinen derzeitigen Möglichkeiten, dazu beitragen, dass die Situation für sie hier besser wird. Ich darf Menschen bei der Arbeit begleiten, die sich fast Tag und Nacht einsetzen und helfe hier und da, z. B. die Sachspenden an die zu bringen, die sie gerade benötigen. Dabei bin ich nur ein winziges Rädchen, aber ich drehe mich mit, an einer richtigen Stelle. Und das tut mir gut.
Ich finde es faszinierend, wie diese Aktion arbeitet: Schnell, ohne feste Leitung, heißt die Devise „Einfach machen!“. Dabei ist es vollkommen friedlich, es wird allenfalls konstruktiv diskutiert. So schön!
Die Zipperlein sind übrigens auch wieder etwas besser geworden und ich habe wieder angefangen, die Schwangerschaft zu genießen. Schließlich will ich mich bei all dem auch auf mein Kind freuen und dieses Wunder in vollen Zügen erleben.
Falls ihr auch helfen wollt, Blogger oder nicht, dann informiert euch über blogger-fuer-fluechtlinge.de. Allein unsere Beiträge zu liken, zu teilen und zu kommentieren bringt uns schon viel.
Spenden könnt ihr über die Box auf der rechten Seite. Die App für die Postkarten findet ihr hier (Android) oder hier (iPhone) (funktioniert übrigens auch ohne Registrierung, mit bekommt ihr aber eine zweite kostenlose Karte).
Egal was ihr tut, es ist besser als nichts zu tun.
Wir fangen gerade erst an!
Eure Julia aus der guten Kinderstube