In den letzten Tagen gab es einige Artikel, in denen die Behauptung aufgestellt wurde, Attachment Parenting, also bindungsorientierte Elternschaft, führe fast automatisch zu Erschöpfungszuständen bei Müttern (die Väter wurden hier wie so oft ausgeklammert). Ich möchte diese Artikel bewusst nicht verlinken, da ich es traurig und ärgerlich finde, dass so undifferenziert auf eine Lebensweise – und einzelne Leitfiguren – eingdroschen wird und ich diesen Texten nicht noch mehr Aufmerksamkeit schenken möchte.
Gleichzeitig sehe ich privat genauso wie auch in meiner Arbeit als bindungs- und beziehungsorientierte Familienberaterin immer wieder Eltern, die sich tatsächlich erschöpft, verzweifelt oder ausgebrannt fühlen. Noch schlimmer: Ich war selbst schon an diesem Punkt und bin es manchmal noch. Ist es also doch so? Führt Attachment Parenting unwillkürlich zum Burn Out?
Es scheint fast so. Als ich sehr am Ende meiner Kräfte war, nach einer schwierigen Schwangerschaft, mit Kind, Baby, Ausbildung und dem normal verrückten Alltag und mich ausjammerte, bekam ich von einer nahestehenden Person zu hören: „Ist ja auch alles in der Theorie schön und gut, mit dieser Bedürfnisorientiertheit. Aber es funktioniert ja nicht, das sieht man ja. Dir geht es ja nicht gut!“
Damals war das für mich wie eine Ohrfeige. Ich strengte mich an, mein Mann ebenso und es war trotzdem zu viel. Ich hätte dringend regelmäßige, verlässliche Hilfe gebraucht und stattdessen bekam ich dieses Urteil. Selbst schuld.
Ich hatte es nicht zum Funktionieren gebracht oder war zu doof, es richtig zu machen oder ich war nicht in der Lage, einen Weg zu finden, der besser funktionierte als AP? Keine Ahnung. Klar war, in deren Augen hatte ich versagt. Zum Glück sah und sehe ich das nicht so.
Dass Attachment Parenting vom Konzept her tatsächlich sehr darauf achtet, dass die Bedürfnisse ALLER Familienmitglieder gesehen werden, steht schon im Ursprungskonzept von Sears und Nora Imlau hat es hier bereits vor einiger Zeit noch mal aufgeschrieben. Sie hat auch darauf hingewiesen, dass es Entwicklungen gibt, die AP unnötig kompliziert machen und damit die Niederschwelligkeit verloren geht. Je dogmatischer eine Idee vertreten wird, desto schwieriger wird es, diesem Ideal nachzueifern. So passiert es schnell, dass gerade Perfektionisten in Erschöpfung geraten, irgendwann aufgeben und sagen: „Das kann gar nicht funktionieren!“
Warum also, war ich so erschöpft und was tue ich dagegen?
Ich war erschöpft, nicht, weil ich das Konzept nicht verstanden hatte oder zu doof war und auch nicht, weil AP an sich zum Burn Out führt. Für mich gibt es zu dieser respektvollen, bindungsorientierten Haltung allen Menschen gegenüber keine Alternative.
Ich war erschöpft, weil ich schlicht und einfach zu wenig Unterstützung hatte. Mein Baby schlief über viele Monate hinweg sehr schlecht und ich versuchte trotz Schlafmangel alles am Laufen zu halten. Dabei machte ich schon sehr viele Abstriche, was zum Beispiel die Sauberkeit unseres Hauses angeht und strich auch sonst alles was irgendwie ging von der To Do Liste. Das war nicht gerade förderlich für meine Ehe (mein Mann braucht Ordnung sehr) und auch einige Freundschaften litten manchmal darunter. Wieder neue Baustellen…
Gleichzeitig war ich mir dessen voll bewusst und versuchte, Unterstützung zu erhalten, doch das war tatsächlich nicht einfach. Wir zogen in Betracht, umzuziehen, sahen uns freie Schulen an, die uns stark entlastet hätten, ich stellte Putzhilfen ein, die immer wieder aufhörten oder unzuverlässig waren, ich suchte eine Babysitterin, die nach dem dritten Mal nicht mehr kam… All das kostete mich noch mehr Kraft und frustrierte zusätzlich, weil es am Ende erfolglos blieb. Zu teuer, zu weit weg, nicht machbar. Was nun?
Selbst schuld? Dieses Urteil finde ich unsagbar grausam für alle Mütter, für alle Eltern, die versuchen, für ihre Familie einen guten Weg zu finden und dabei an ihre Grenzen stoßen und darüber gehen. Viel wichtiger wäre es, tatkräftige Hilfe anzubieten, die auch wirklich Hilfe ist. Denn ja, unsere Haltung wird von der Gesellschaft in der wir leben (noch) nicht mitgetragen. Die Kinderbetreuung, die wir ausprobiert haben, war zum Beispiel so weit weg von beziehungsorientiert (oder respektvoll), dass sie für uns keine Option war und durch die Elternzeit, die mein Mann genommen hat, hat er seinen Job verloren. Das war wirklich keine Entlastung.
Jetzt könnte man sagen, wir hatten kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu. Nur sind wir kein Einzelfall und auch all die anderen Mütter/Eltern sind nicht einfach zu doof, haben es nicht verstanden oder sind selbst schuld. In der Situation ging es uns selbst mit einer großen Portion Humor irgendwann wirklich nicht mehr gut.
Wir arbeiten einfach weiter daran, dass es besser wird. Jeden Tag.
Mittlerweile habe ich meine Ausbildung abgeschlossen. Mein Mann hat einen neuen, sehr flexiblen Job, so dass wir beide abwechselnd arbeiten und uns entlasten können. Eine gute Freundin kommt regelmäßig zu uns, so dass wir endlich jemanden haben, der die Kinder mal übernehmen kann und ich habe wieder eine Freundin in meinem Leben, die so präsent ist, dass wir so richtig quatschen können. Da sie oft am Wochenende über Nacht bei uns bleibt, ist dann auch für alles Zeit. Ein riesiges Geschenk. Und einen Kita-Platz für die Große haben wir jetzt auch in Aussicht.
Ich habe in dieser Zeit viel gelernt. Zum einen eine gewisse Akzeptanz. Egal, wie sehr ich mich abstrample, manchmal ist es anstrengend und nicht nur alles eitel Sonnenschein. Ich kann niemanden dazu kriegen, uns gerne zu helfen und ich kann nicht von heute auf morgen das ganze System ändern. Zum anderen habe ich mittlerweile einige Strategien, um mir den Druck zu nehmen und etwas Leichtigkeit zurück zu gewinnen.
Was meine Strategien genau sind, werde ich euch im nächsten Artikel erzählen.
Eure Julia aus der guten Kinderstube
P.S.: Auch die wunderbare Frida von 2KindChaos hat über ihren AP-Weg geschrieben. Schaut doch mal rüber.
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