Die Brüste und das Stillen

07.18.2017

Meine Frau stillt. Sie stillt meinen Sohn seit 20 Monaten. Sie stillt aber auch meine Tochter. Diese ist 4,5 Jahre alt. DAS nenne ich Langzeitstillen. Wenn ich Mütter auf dem Spielplatz treffe, nein ich sehe sie viel mehr denn unterhalten tut man sich selten, fallen dann solche Sätze wie „ Ich stille ja auch lange, meine Tochter ist jetzt über 8 Monate alt…“. Da denke ich mir: „Wenn ihr wüsstet..“ Ich könnte jetzt gleich für Schnappatmung sorgen

Stillendes Kind, Stillende Mutter

Dass die Perle unser Kind wie empfohlen sechs Monate komplett stillt war irgendwie klar und das habe ich überhaupt nicht in Frage gestellt, da es auch ganz unkompliziert funktionierte. Daraus wurden dann irgendwie zwei, drei und mehr Jahre und doch habe ich mir nie wirklich so viel Gedanken dazu gemacht. So ist das halt mit Kindern. Die werden halt gestillt.

Wer es noch nicht weiß, die WHO (Weltgesundheitsorganisation) empfiehlt, ein Baby in den ersten sechs Lebensmonaten voll zu stillen. Es bekommt also nur Muttermilch. Kein Butterbrot, kein Kuchen. Mit Einführung der Beikost soll das Stillen weiterhin bis zum vollendeten zweiten (!) Lebensjahr und sogar darüber hinaus praktiziert werden. Soviel dazu.

Es gab Momente, beim Männerstammtisch oder in kleiner Runde unter jungen und frischgebackenen Vätern, bei denen der ein oder andere Vater euphorisch von der Flaschennahrung sprach. „Soviel einfacher.“, sagten sie dann. „Man kann als Mann auch einen Teil dazu beitragen“. Sie meinten wahrscheinlich die Bindungsentwicklung und nicht das nächtliche Aufstehen. 

Stillende Mutter auf Spielplatz

 

Denn eigentlich wurde damit nur bezweckt, dass das Kind schnellstmöglich in sein eigenes Bettchen ausquartiert wurde und man wieder zur alten Illusion des „Paar-sein“ zurückkehren konnte. 

Oder man konnte mit der Flaschennahrung den wie auch immer gearteten Babysitter ins Haus holen. Die eigentlich als „gut“ intendierte aktive Teilhabe an der Elternschaft war demnach nur ein vorgeschobener Grund. Man(n) wollte entweder die Brüste der Dame für sich haben oder aber so eine Art Gleichstand bei der Bindungsarbeit herstellen.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es gab und gibt Zeiten da bin ich echt eifersüchtig auf die Stillerei.
Doch ich habe früh realisiert, dass mir daraus kein wesentlicher Nachteil bei der Bindungsarbeit widerfährt und dies keine Ausrede für fehlende Bildung ist.

Vielleicht kennt ihr Harry Harlow. Er war Verhaltensforscher und Psychologe. Bekannt geworden ist er mit seinem Experiment über die Mutter-Kind-Bindung bei Resus-Äffchen. Er setzte Affenkinder ohne Mutter in einen Käfig (gemein ich weiß..). Darin waren zwei Affenatrappen. Ein Affenmodel aus blankem Draht mit Nahrung und ein Affenmodel mit bespanntem Stoff.

Das Affenkind befand sich nur zur Nahrungsaufnahme am blanken Affen, ansonsten kuschelte es sich an den Stoff-Affen. Ihr merkt also worauf ich hinaus will. Bindung zum Kind erfolgt zwar auch über das Stillen aber nicht nur.
Des Weiteren habe ich schmerzlich realisiert, dass wir, die Gesellschaft, die Brüste einer Frau zum sexualisierten Objekt machen (wie eigentlich alles an einer Frau) und zwar von Anfang an. Brüste sind immer sexuell konotiert. Das finde ich nicht gut. Kinder werden nicht lange und schon gar nicht in der Öffentlichkeit gestillt, nur weil das zu Aufregung führt. Menschen fühlen ich durch den Anblick einer stillenden Frau belästigst, verschämt, was auch immer.
Das tun sie, meines Erachtens, weil sie mit Sexualität ein Problem haben. Überall finden wir Nackheit, wie selbstverständlich, aber ein an der Brust trinkendes Kind? Verdammte Scheiße, dass geht aber nicht! Wir haben es es so genormt. Ist das nicht traurig. Brüste sind als erstes Mal Nahrungsquelle. Die Muttermilch ist das Beste was man einem Kind geben kann, auch wenn es uns die Nahrungsmittelindustrie ganz anders erzählt.

Letzten Endes sollte jeder Mutter frei (!) für sich entscheiden können, wie, wo und wie lange sie ihr Kind stillen möchte. Hier würde ich mir sehr viel mehr Akzeptanz sowohl von Frauen als auch vor allem von Männern/Vätern wünschen und auch mal einer stillenden Mutter beizustehen, wenn negative Kommentare im Raum stehen.

 
Lasst et krachen
Max

24 Comments

  • Fabian sagt:

    Ganz meine Meinung. Mit welchem Recht mischen sich Leute in fremde Angelegenheiten ein? Nur, weil in Industriestaaten so früh wie möglich zum Tagesprogramm zurück gekehrt werden soll, ist das kein Grund die Entscheidungen zum Stillen in Frage zu stellen, oder als falsch zu bezeichnen.

  • Wie wunderbar… Danke für diesen Text

  • Ich liebe das Bild von Euch. Auch den Artikel fand ich liebevoll und spannend. Ein paar Fragen habe ich aber doch: 1.) Hast DU eine Grenze, also wie lange willst Du Deine Tochter noch stillen? Und weil mir grad noch drei andere Fragen einfallen: Magst DU mit Max zusammen zu Gast sein in meinen Familienrollen?

    • Julia sagt:

      Meine Grenze ist klar, wenn ich mich nicht mehr wohlfühle oder eben, wenn meine Kinder aufhören. Mal sehen, was zuerst eintritt. Schon jetzt stille ich nicht mehr immer, wenn meine Tochter es möchte sofort, wenn es für mich nicht passt. Ich bin da sehr klar, immer gewesen.
      Und klar, gerne kommen wir Dich in den Familienrollen besuchen.

  • Anonym sagt:

    So wahr! Gerade auch die Ärzte sollten das Akzeptieren was Mutter UND Kind wollen. Da höre ich leider ständig Abstillen!

  • Anonym sagt:

    Danke Max ❤️

  • Anonym sagt:

    Hallo. Ich stille meine große Tochter mit dreieinhalb auch noch… zum einschlafen und nachts. Aber bei uns hat sich daraus das Problem entwickelt, dass sie nur von mir ins Bett gebracht werden möchte. Wie habt ihr diese Situation gelöst?

    • Julia sagt:

      Hallo! Tatsächlich lässt sich unsere Große auch fast nur von mir ins Bett bringen, wenn ich da bin. Das liegt aber nicht am Stillen, denn den Kleinen stille ich auch zum Einschlafen und da ist es kein Hindernis.
      Ist es denn wichtig für euch, dass es Dein Mann machen kann, wenn Du sowieso da bist? Was ist, wenn Du unterwegs bist? Und wer kümmert sich nachts, wenn sie wach wird?

    • Anonym sagt:

      Hallo zurück…. beinah hätte ich vergessen nachzuschauen… ��
      Meinem Mann wäre es wichtig sie ins Bett bringen zu können. Er fühlt sich ein bisschen ausgeschlossen. Dabei ist sie tagsüber voll das Papamädel.
      Schwierig ist auch, dass sie sich inzwischen nur noch von mir ibs Bett bringen lässt, also auch nicht vom Papa wenn ich nicht da bin.
      Im Moment versuchen wir es ohne Einschlafstillen… aber sie frägt jeden Abend, versucht jeden Abend den Papa raus zu schmeißen und würde weinen wenn ich raus gehe. Und das nicht nur zehn Minuten, sondern bis zu einer halben Stunde.

    • Julia sagt:

      Das kennen wir hier auch alles, genau so. Ich bin dann trotzdem gegangen, wenn ich es wollte/etwas vorhatte. Mein Mann ist das Ganze locker angegangen. Sie blieb dann eben bei ihm auf der Couch, bis sie wirklich müde war etc. Und ja: Tagsüber war sie auch schon früh Papakind. Ihr erstes Wort war "Papa". Und doch war ich ewig für Schlafen, krank, trösten, kuscheln zuständig. Erst im Laufe der Zeit hat sich das etwas geändert, nur das Einschlafen ohne mich kann immer wieder auch schwierig sein. Das ist dann eben so. Am Stillen liegt es imho trotzdem nicht vorrangig. Ihr werdet euren Weg schon finden. Liebe Grüße!

    • Julia sagt:

      Ach so: Wenn ich da bin, dann kämpfen wir schon lange nicht mehr, dann bringe ich sie ins Bett, weil es für alle einfacher ist. Mein Mann bringt derweil den Kleinen zum Schlafen.

    • Anonym sagt:

      Vielen lieben Dank für deine Worte.

  • Anonym sagt:

    Was für ein wundervolles Statement von einem Mann!
    GROßartig finde ich DAS!
    Ich habe meinen Sohn 26 Monate gestillt, dann hatte ich genug!
    Aber auch da fühlte ich mich bereits oft unwohl in der Außenwelt. Es ist für viele offenbar unverständlich wie FRAU bereit sein kann auch ein Kleinkind noch zu stillen!

    • Julia sagt:

      Danke!
      Ja, je älter die Kinder werden desto schwerer wird es, öffentlich zu stillen, finde ich. Leider. Trotzdem möchte ich mir dadurch nicht vorschreiben lassen, wie oder wann unsere Stillbeziehung enden soll.

  • Anonym sagt:

    Du unterstellst Männern, die ihren Teil zum füttern in Form von Formulanahrung beitragen, aber eine ganze Menge komische Dinge. Warum ist es eigentlich nicht möglich, beim Stillen/Flasche geben andere Wege und Meinungen einfach stehen zu lassen, ohne zu verurteilen. Du möchtest, dass Euer Weg akzeptiert wird. Dann akzeptiere doch bitte auch den Weg der anderen Eltern.

    • Julia sagt:

      Danke für Deinen Einwand!
      Der Text ist keinesfalls gegen die Flasche gerichtet. Es geht ganz speziell, um die Argumentation der Männer, die mir gesagt haben, dass sie wegen des Stillens ihre Frau nicht mehr für sich haben oder keine Bindung zum Kind bekommen (nicht aller Männer, denn so viele kenne ich gar nicht).
      Diese Argumente hinterfragte ich und meine Erfahrung zeigt, dass das beides nicht vom Stillen kommt. Es geht also, wie in allen unseren Texten, um eine konkrete, selbst gemachte Erfahrung. Jede Familie geht ihren Weg und über den urteile ich nicht. Für mich sind das zwei verschiedene Dinge.
      Liebe Grüße

  • "Letzten Endes sollte jeder Mutter frei (!) für sich entscheiden können, wie, wo und wie lange sie ihr Kind stillen möchte. Hier würde ich mir sehr viel mehr Akzeptanz sowohl von Frauen als auch vor allem von Männern/Vätern wünschen und auch mal einer stillenden Mutter beizustehen, wenn negative Kommentare im Raum stehen."

    Soll ich mich jetzt trauen, dass ich nicht stille, nie gestillt habe und es auch nicht vorhabe? Denn nach dem Artikel habe ich nun nicht das Gefühl, dass meine Entscheidung als gleichwertig okay zum Langzeitstillen bewertet würde.

    Ich wünsche mir auch mehr Verständnis. Eben nicht dumm angeschaut zu werden oder sich in endlosen Diskussionen ergehen zu müssen, wenn man Flasche und Milchpulver auspackt. Und ich will mir auch nicht als Erstes anhören: "Oh, hat das Stillen nicht geklappt? Du könntest doch… (füge Ratschläge ein, die den Milchfluss auch nach mehreren Monaten noch in Gang setzen sollen)."

    Liebe Grüße
    Karin

    • Julia sagt:

      Selbstverständlich wünschen wir uns mit Dir Verständnis und Akzeptanz für alle Wege. Der Text bezieht sich auf konkrete, selbst gemachte Erfahrungen. Wir sind überhaupt nicht gegen die Flasche und das Teilen von Aufgaben.

      Was allerdings nicht zusammenpasst sind das Ablehnen von Stillen, weil es eklig sei, unnatürlich oder es Männer von ihren Frauen distanziert oder die Bindung zum eigenen Kind untergräbt. Das deckt sich mit unseren Erfahrungen nicht.
      Liebe Grüße

  • Anonym sagt:

    Ein toller Artikel! Danke.Ich habe meinen großen Sohn bis zum 5.Lebensjahr gestillt und seltsame Blicke waren da alltäglich. Er durfte selbst entscheiden wie lange er gestillt werden möchte. Aktuell stille ich meinen Kleinsten,er wird nächste Woche zwei und es ist kein Ende in Sicht. Auch er soll das selbst entscheiden.

    • Julia sagt:

      Wie schön, dass es so geklappt hat für euch. Ich bin auch gespannt, ob ich das Stillen irgendwann über habe oder meine Kinder es beenden. Werde ich sicher auch schreiben.

      Liebe Grüße
      Julia

  • Ich finde den Blickwinkel des Vaters sehr spannend. Ich hatte nicht das Glück so lange stillen zu dürfen (können) und im nachhinein betrachtet freute sich mein Mann auch, etwas vom Part der Nahrungsaufnahme übernehmen zu können. Lag aber vielleicht auch daran, dass ich ganz ungern mein baby abgegeben habe. Ja auch an ihn. Klingt paradox – war aber so.

    Ich zeigte ihm diesen Artikel und er sagte "ich war froh als Du endlich nicht mehr gestillt hast. Nicht weil das schlecht war oder ich es nicht gegönnt oder es irgendwas mit uns zu tun hatte. Aber ich hab gesehen, wie sehr DU gekämpft und verzweifelt warst" – verdammt, er hatte recht.

    Männer-Sichten sind eben auch manchmal total spannend.

    Drück Euch
    JesS

    • Julia sagt:

      Ui, wenn es so schwer für Dich war, dann kann ich Deinen Mann besonders gut verstehen. Dabei zu sein und nichts tun zu können ist so ätzend.
      Ich sag ja immer, ich hätte niemals so lange gestillt, wenn es nicht insgesamt so einfach gewesen wäre. Und das mit dem Baby nicht abgeben können… ich glaube, das liegt nicht am Stillen, sondern an einem selbst, am Baby, am Vater, an den Umständen – da kann so viel mit reinspielen.
      Ich drück Dich!

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