Ich sitze hier vor meinem Bildschirm und versuche, meine Gefühle zu sortieren. Mir hilft das Schreiben dabei, weil ich dadurch Zugang zu meinen Gedanken erlange und viele Details klarer hervortreten. Ich begebe mich dazu in mein Internet, einen virtuellen Ort, der angeblich ganz unpersönlich sein soll.
Oft habe ich schon gelesen, wie viel leichter es Menschen fällt, Hass über das Internet zu verbreiten. Hater laden ihren ganzen Hass, ihre Aggressionen, ihre Wut im Schatten der Anonymität und getrieben von der Deindividuation im Netz ab. Sie greifen Menschen an, rufen zu Straftaten auf und finden ekelhafter Weise schnell Anhänger.
Mein Internet, ein Ort der Liebe
Heute will ich aber über mein Internet schreiben und über etwas, das viel wichtiger ist als Hass. In diesem, meinem Internet verbreiten sich nämlich auch Liebe, Freundschaft, Hoffnung und gute Taten schneller als man es begreifen kann. Sie multiplizieren sich und werden sogar ins „echte“ Leben transportiert.
Lover? Gutmenschen? Love Speech? Lovestorm? Ich weiß nicht, ob es für dieses Phänomen schon einen Begriff gibt, aber ich habe es schon mehrmals erlebt. Deshalb ist mir mein Internet ein so wichtiger Ort, mein Dorf, in dem wir einander helfen und uns unterstützen. Und zwar weit über Worte hinaus.
Seit ich blogge und intensiver bei Twitter und auch Facebook aktiv bin, bin ich immer wieder überwältigt von der Liebe, Unterstützung und Zuwendung in meinem Online-Clan. (geborgen-wachsen.de)
Es ist wahnsinnig, wie schnell Menschen, die sich eigentlich gar nicht kennen, bereit sind zu helfen. Das kann ein gutes Wort sein oder eine virtuelle Umarmung. Oft sind es auch oft ganz praktische Dinge. Ich bekam schon ein Buch geschenkt als ich mich mit dem Thema Zucker in der Ernährung beschäftigt habe und ein Stillkleid, einfach so, weil die Besitzerin fand, dass es zu mir besser passt. Auch ich habe schon Dinge verschickt, einfach, weil sie gebraucht wurden oder jemandem Freude bereiten sollten.
Denn diese Menschen, die ich „eigentlich ja gar nicht kenne“, sind mir wichtig. Es sind gute Menschen, mit dem Herz am richtigen Fleck. Sie tun das, was angeblich in unserer Gesellschaft zu wenig getan wird: Sie stehen für einander ein.
Jeden Tag verbringen diese Menschen, meine Filterqubble, einen Teil meines Alltags mit mir. Sie wissen, wie es mir ungefähr geht und was in meinem Leben gerade los ist. Manche sind mir näher als einige Bekannte hier vor Ort. Einige habe ich tatsächlich schon getroffen und sie sind mir sehr ans Herz gewachsen.
Kleine Impulse, große Welle
In meinem Internet entstehen immer wieder richtige Wellen der Liebe und Solidarität. Wellen, die mir den Glauben an das Gute wiedergeben und mich tief bewegen.
Ich habe #BloggerfürFlüchtlinge miterlebt, bei dem viele Elternblogger und weitere Menschen aus dem Internet sich in kürzester Zeit vernetzt haben, um Spenden zu sammeln. Darüber hinaus entstanden ganz konkrete Projekte und Netzwerke, die zum Teil noch heute bestehen und wirken.
Ein weiteres Beispiel ist #einBuchfürKai, eine Aktion von Johannes Korten, bei der er ganz spontan Geld für Kai-Eric Filzner sammelte und zum Kauf dessen Buch aufrief. Hier könnte ihr mehr dazu lesen.
Wenn einer gehen muss
Vor einiger Zeit musste einer meiner Twitter-Menschen, @linsensicht, nach langer Krankheit seinen letzten Weg antreten – nach endlosen Chemos, Aufs und Abs, nach einem unvergleichlichen Kampf, mit beeindruckender Stärke, Humor und einer Lebenslust, die auf mich abgefärbt hat. Thea von Herz & Buch erfand für Chris den Hashtag #lichtfürlinsensicht, unter dem viele Twitterer ihm Bilder des Lichts schickten, die ihm an den dunklen Tagen seines Kampfes gegen die Krankheit Kraft gaben. Auch auf seinem letzten Weg begleiteten wir ihn unter #einlichtfürlinsensicht mit unseren Gedanken, Worten und Bildern (hier zusammengefasst).
Chris hinterlässt eine Frau und drei Kinder, die jetzt unsere Unterstützung, unser Licht brauchen.
Wer von euch die Familie unterstützen will, kann das hier tun. Es geht dabei nicht um große Summen, jeder Betrag ist willkommen und hilft der Familie in dieser Zeit. Außerdem hilft es, wenn ihr diesen Aufruf unterstützt und unter dem Hashtag #einLichtfuerLinsensicht weiterverbreitet. Lasst uns einmal mehr zeigen, dass die Liebe die Größte ist.
Eure Julia aus der guten Kinderstube
Liebe Julia, du hast wunderschöne Worte gefunden für das was hier bei uns passiert. Das Internet und vor allen Dingen die Menschen, die sich hier versammeln (in unserer Blase) sind Menschen, die einen verstehen und für einen da sind. Ich habe auf Twitter einmal einen Tweet geteilt, der Inhaltlich besagt, das negative steht auf den Titelseiten, die Liebe ist viel stärker und niemand berichtet darüber. Genau dieses Gefühl habe ich in der Onlinewelt nicht. Hier gibt es so viel Liebe und Verständnis, das tut unheimlich gut.
Danke schön! Es bedeutet mir sehr viel, dass Du hier kommentierst und meine Gedanken nachvollziehen kannst.
Ich glaube ja, dass wir daraus ziehen können, dass die Menschen im Allgemeinen mehr gut als schlecht sind. Sie brauchen eben oft eine Möglichkeit, es zu zeigen.
Liebe Grüße! ❤️