Schief gewickelt
Wir haben unsere Tochter von Anfang an mit Einmalwindeln gewickelt. Auch bei diesem Thema hatte ich das „Normale“ vorher gar nicht in Frage gestellt. Genauso wie man ein Gitterbett in ein Kinderzimmer stellt und einen Kinderwagen kauft, so braucht man doch auch Windeln. Klar, das sehe ich mittlerweile ganz anders, aber bis heute habe ich keine Erfahrungen mit Stoffwindeln.
Meine Eltern waren so großzügig uns immer Windeln mitzubringen, wenn sie zu Besuch kamen. Ein tolles Geschenk, muss ich sagen. Vor allem da ich weiß, dass meine Mutter uns in Stoff wickeln musste, weil sie sich die modernen Windeln nicht leisten konnte. Wir wickelten also und hatten damit augenscheinlich auch keine Probleme. Tochterkind war nie wirklich wund, jede Rötung konnte mit Heilwolle abgefangen werden und eine Windel hielt im Prinzip die ganze Nacht trocken, wenn kein (wir nennen es) Puh darin landete. Diese sprengten die Windeln schon regelmäßig.
Allerdings hatte unsere Tochter für ganze sechs Monate Bauchbeschwerden. Sie krümmte sich und schrie, ich massierte, sie pupste, Ruhe. Dann ging es von vorn los. Ich versuchte alle Nahrungsmittel zu vermeiden, die blähend sein könnten, wir stiegen von Vitamin D-Tabletten auf Tropfen um und ich stillte „bergauf“. Nach jeden Stillen achtete ich penibel auf das Bäuerchen doch alles half nicht. Also gaben wir ihr auf Anraten des Kinderarztes vor jedem Stillen ein entblähendes Mittel und abends ein halbes Kümmelzäpfchen. Zum Glück war damit alles gut und sie musste nicht mehr leiden. In den sechst Monaten versuchten wir viermal diese Mittel abzusetzen und hatten dreimal sofort wieder die gleichen Symptome. Erst beim letzten Mal war es besser.
Was trotz aller Mittel blieb, war der Umstand, dass sie für ihr großes Geschäft immer sehr lange brauchte und es fast ausschließlich in einer gehockten Position machte. Schon beim zweiten Besuch meiner Hebamme erkannte ich an ihrem Gesicht, dass sie einen Puh machen musste. Meine Hebamme lachte und meinte, ich könne ja glatt so eine Windelfrei-Mama werden, wenn ich das so gut erkenne. Leider dachte ich damals nicht weiter darüber nach.
Rückblickend frage ich mich, ob meine Tochter Probleme hatte, weil sie nicht in die Hose machen wollte? War ihr Drang, das Nest nicht zu beschmutzen einfach so groß? Viele Nächte musste ich mit ihr aufstehen, weil es im Bett einfach nicht ging. Hatte sie auch die Blähungen aus diesem Grund? War es nicht (nur) mein starker Milchspendereflex und ihr gieriges Trinken? Ich werde es nie wissen, aber ganz sicher würde ich es bei einem nächsten Kind anders machen.
Mittlerweile ist meine Tochter seit Mitte letzten Jahres ein windelfreies, meist trockenes Kind. Sie interessierte sich mit 16 Monaten zum ersten Mal für die Toilette und machte wenig später bei Freunden begeistert ins Töpfchen. Mit 21 Monaten wollte sie einfach keine Windel mehr. Sie kämpfte richtig gegen uns beim Wickeln bis ich sie nach einiger Zeit fragte: „Willst Du keine Windel anziehen?“ Sie bejahte und wir ließen uns darauf ein. Erst waren wir noch unsicher bei Autofahrten und während des Mittagsschlafs. Aber schon nach kürzester Zeit merkten wir, dass es gut funktionierte. Für die Nächte kauften wir ihr eine Wollhose mit einknöpfbarer Einlage, die aber ehrlich gesagt nicht viel bringt. Mein Tochterkind machte nur ein einziges Mal nachts Pipi und da lag sie komplett im Nassen. Immerhin hält sie warm, wenn sie sie denn überhaupt anziehen will.
Klar, gibt es ab und an nasse Hosen – bei Ablenkung, Stress oder Krankheit – aber insgesamt kommen wir ohne Windeln sehr gut zurecht. Ich bin wirklich froh, dass ich auch in diesem Bereich gelernt habe, auf meine Intuition zu hören und besser mit meinem Kind zu kommunizieren. Sollte ich das Glück haben, noch ein Kind zu bekommen, würde ich von Anfang an versuchen, mehr auf mein Gefühl zu hören. Vielleicht kommt dabei dann sogar windelfrei heraus?
Eure Julia aus der guten Kinderstube