Bedürfnisorientiertes Familienleben: sechster Teil

12.11.2014

AP in der Gesellschaft

Ich bin kein Mensch, der gerne anders ist und auffällt. Ich bin kein Paradiesvogel und auch kein Revoluzzer. Ein Duckmäuser bin ich allerdings auch nicht und ich würde behaupten, dass ich durchaus selbstbewusst auftrete. Ich habe meine eigene Meinung und kann diese auch vertreten, wenn ich es wichtig finde.

Seit ich Mutter bin, befinde ich mich allerdings gefühlt in der Lage, ungewollt durch meine Entscheidungen aufzufallen. Denn obwohl Attachment Parenting  und bedürfnisorientiertes Familienleben immer stärker in der Gesellschaft ankommen, ist man oft noch sehr allein damit. Und da Vieles für mich selbst noch so neu war, war ich auch verunsichert. Gerade dann falle ich nur ungern auf und gerade dann trifft Kritik von außen mich besonders. Und Kritik war da viel, leider viel mehr als Unterstützung.

Bewusst hätte ich mich also sicher nicht für diesen Weg entschieden, aber es ist glücklicher Weise so, dass man bestimmte Gedanken nicht mehr ablegen kann, wenn sie einmal gedacht wurden. So habe ich in den letzten zwei Jahren nicht nur viel über die Entwicklung von Babys und Kleinkindern gelernt und mein Menschenbild überdacht, ich habe auch unheimlich viel über mich selbst gelernt. Ich habe unterwegs Freunde verloren, aber auch tolle neue Freunde gefunden, die so unsagbar wertvoll sind. Ich würde nicht sagen, dass mir die Meinung „der Anderen“ egal ist, aber ich lasse mich wenigstens nicht mehr allzu leicht verunsichern. Wir gehen unseren Weg, entwickeln uns weiter und lernen täglich dazu.

Die Erkenntnis: Andere sind auch unsicher!

Vor einigen Tagen sprach ich mit einer flüchtigen Bekannten, die ich als sehr selbstbewusst beschreiben würde. Sie erzählte mir von ihrem Entschluss, ihren Sohn nicht wie geplant in eine Krippe zu geben, sondern auf ihren Bauch zu hören und mit ihm zuhause zu bleiben. „Ich höre jetzt auf mein Gefühl und es ist egal, was die Anderen dann von mir denken!“, verteidigte sie sich verzweifelt. Sie tat mir richtig leid, da der Druck, den diese Entscheidung verursachte deutlich zu spüren war. In ihrem Umfeld war sie damit allein. Sie war, glaube ich, froh, dass ich auch noch nicht wieder arbeite und sie verstand.

Noch immer werden Tragen, Stillen, Co-Sleeping und vor allem ein respektvoller, gleichwürdiger Umgang mit kleinen Kindern sehr kritisch beäugt. Immer wieder hört man, dass die Babys einen nicht manipulieren dürfen oder das ein Kleinkind lernen muss, sich unterzuordnen, wenn es trotzt. Es wird als unemanzipiert angesehen, wenn man seinen Beruf unterbricht, um sich seinen Kindern zu widmen und als verzogen, wenn ein Kind Aufforderungen nicht sofort Folge leistet. All die auf Macht basierenden, hierarchischen Strukturen müssen eben nach und nach abgebaut werden.

Die Entwicklung

Es gibt immer mehr Familien, die sich diesem Druck entgegenstellen. Attachment Parenting ist, so hoffe ich, kein Randthema mehr. Susanne von geborgen-wachsen.de bezeichnet es als Bewegung und ich hoffe so sehr, dass sie Recht hat. Es gibt einen eigenen AP-Kongress, viele bekannte Personen treten für diese Art des Umgangs miteinander ein. Gruppen organisieren sich, Artikel und Bücher erscheinen und nicht nur mich hat das Thema zum Bloggen inspiriert.

Vor ziemlich genau zwei Jahren wagte das Projekt einfach-eltern.de für bindungorientierte Erziehung gemeinsam mit der Zeitschrift Eltern ein Experiment: 10 Paare lebten für 20 Tage nach den Regeln des Attachment Parenting. Für die Teilnehmer war das komplettes Neuland und ich hatte den Eindruck, dass sie froh waren, dies im Rahmen einer solchen Challenge ausprobieren zu können. Hier findet ihr auch einen kleinen Film und den Artikel aus der Eltern (erschienen April 2013):

Artikel: http://www.einfach-eltern.de/media/EL_04_23_Titelthema_LT.pdf

Noch immer fände man viele junge Eltern, für die AP völlig neu ist und denen ich wünschte, sie würden diese Challenge mitmachen.
Ich hoffe, dass immer mehr junge Eltern spüren, wie gut Attachment Parenting allen in der Familie tut und dass damit der Druck langsam verschwindet. Ich wünsche mir, dass es in unserer Gesellschaft normal wird, sich mit Respekt, Gleichwürdigkeit und ohne Gewalt zu begegnen. Ich freue mich über jede Mutter, jeden Vater, der sein Kind genießt, sich selbst als Mensch weiterentwickelt und allen zeigt, wie schön Familie ist.
Vielleicht gibt es dann auch wieder mehr Kinder?

Eure Julia aus der guten Kinderstube

 

2 Comments

  • Anonym sagt:

    Hallo liebe Julia,
    dein Blog ist sehr schön 🙂
    ich will nicht klugscheissern , aber du hast dich hier verschrieben.. ich nehme an, die Internetseite heisst nicht einfach-eitern.de 😉
    Liebe Grüße
    Tanja

  • Julia sagt:

    Hahaha! Hervorragend! Ja, ich korrigiere das dann mal schnell. Danke für den Hinweis und Danke für Deinen Kommentar!
    Weihnachtliche Grüße

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert