#MeinBriefAnMich – Es wird anders, es wird schön

08.31.2015

Schon den ganzen Sommer über läuft bei Jana vom hebammenblog.de die tolle Blogparade #MeinBriefAnMich, bei der Frauen ganz unterschiedliche Tipps an ihr eigenes Ich in der Vergangenheit schicken.
Ich finde diese Idee sehr schön und gerade jetzt, da ich in einigen Wochen mein zweites Kind zu Welt bringen werde, möchte ich mir selbst noch ein paar Gedanken mitgeben.

Liebe Julia, 

Du bist Zuhause mit Deiner wundervollen, neugeborenen Tochter und Deinem geliebten Mann und genießt das Wochenbett. Die Geburt war all das, was Du nicht wolltest, aber das wirst Du erst sehr viel später aufarbeiten. Jetzt seid ihr gerade sehr glücklich und entspannt, denn im Großen und Ganzen macht die Kleine es euch ziemlich leicht. Trotzdem bist Du teilweise von Deinen Emotionen überrascht und von einem Bauchgefühl, dass Dich in seiner Stärke fast umhaut. Wenn Dein Kind weint, spürst Du mit jeder Faser, wie schlecht es ihm geht. 

Wenn Dein Baby unruhig wird, nimmst Du z. B. die starken Gerüche wahr, die euch umgeben und WEIßT einfach, dass es sich dadurch gestört fühlt. Du merkst deutlich, dass Deine Tochter zwar schon von Anfang an alles und jeden beobachtet, aber gerne aus sicherer Position, von Deinem Arm aus. 

Trotzdem sagt Dir der Kopf, dass Du keine zu große Glucke sein solltest. Du siehst schließlich, wie alle um Dich herum sich freuen und bist doch eigentlich der Meinung, dass Kinder sich an alles gewöhnen, wenn sie es eben von Anfang an so kennen, wenn die Mutter nur locker genug ist. Und Du hoffst so sehr, dass Dein Kind in einer Gemeinschaft mit Deiner Familie und engen Freunden sicher aufwachsen kann. Also versuchst Du locker zu sein, schiebst die Heftigkeit Deiner Emotionen auf die Hormone und schützt Deine Tochter nicht so wie Du es gerne möchtest. Du willst ja, dass sie sich an die wichtigen Menschen um Dich gewöhnt.

Ich kann Dir sagen, Deine Tochter wird so bleiben, sie ist so. Sie baucht Dich und Deinen Mann als sicheren Hafen und wird nur auf eigene Initiative Bindungen und Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen. Und Du kannst das leider nur bedingt beeinflussen! Da das viele Menschen in Deiner Umgebung nicht verstehen, wirst Du auch dauerhaft kaum Entlastung oder Unterstützung haben, obwohl sie Dir angeboten wird. Es ist ein kleines Dilemma. 

Vieles wird sich ganz anders entwickeln als Du es vorher dachtest. Du wirst sehr viel länger stillen als angenommen, Deine Tochter wird im Familienbett schlafen und Deine komplette Haltung gegenüber Kindern und dem Thema Erziehung wird sich grundlegend ändern. Das bringt für Dich Probleme mit sich: Du musst es ertragen, Dich von Anderen deutlich zu unterscheiden, auffällig zu sein und oft das Gefühl zu haben, nirgends richtig dazu zu gehören. Dir wird Kritik noch sehr lange unheimlich nahe gehen und weh tun. Aber es wird besser. 

Mit der Zeit kommt dann auch eine innere Sicherheit zu Dir, weil Du und Dein Mann euren Weg für eure Familie gefunden habt. Ein Weg, der sehr viel flexibler ist als alle Vorstellungen zuvor, der sich an dem was jetzt ist orientiert statt etwas erzwingen zu wollen, was nicht in der Gegenwart oder nicht in euren Möglichkeiten liegt. Ein Weg, der offen lässt, was in Zukunft für euch richtig sein wird.

Das Leben mit Deiner Tochter ist so wunderschön und ihre Entwicklung, ihre Stärke, ihre Einfühlsamkeit und in vielen Momenten überraschende Klarheit wird Dir zeigen, dass der Weg für euch gut ist. Dazu wirst Du sehr viel lesen. Denn Dein Bauchgefühl ist zwar da, aber Dein Kopf kann ihm selten trauen. Da sind so viele Muster und Gedanken, die tief verankert sind, dass Du die Hilfe brauchst, um alles in Einklang zu bringen.

Denn das Leben als Mutter führt Dich auch an und über Deine Grenzen. Es wird zeitweise sehr anstrengend und mit viel Arbeit an Dir verbunden sein. Das hört wahrscheinlich auch nie auf.

Doch es wird sich gut anfühlen, zu wachsen, sich zu entwickeln.

Dein Lebenstraum, eine liebevolle Familie zu haben, hat sich schon erfüllt. Ich brauche Dir nicht zu sagen, dass Du das genießen sollst, denn zum Glück hast Du das schon sehr früh verstanden. Nur selten hängst Du Dingen nach, die Du als Mutter nicht mehr haben oder machen kannst. Meist dann, wenn Du sehr wenig geschlafen hast oder Dein Mann viel arbeiten muss. Vielmehr konzentrierst Du Dich auf all die schönen Momente, die Du später nie wieder haben wirst. Und das wird Dir immer wieder Kraft geben. Kraft, die Du vor allem auch dann brauchst, wenn Du Dich einsam fühlst in Deinem Leben als Mutter. Das wird leider öfter sein als Du es jetzt weißt. 

Für Deinen Mann und Dich als Paar wird es auch nicht immer leicht sein, aber ihr verliert euch nie wirklich und findet letzten Endes immer näher wieder zusammen als zuvor. Auch wenn euch die Zeit als Liebespaar zu wenig ist und ihr euch manchmal wünscht, aus dem Elternsein für einige Zeit ausbrechen zu können. Ich muss Dir leider sagen, dass das lange Jahre so sein wird, da die Vorstellung, das Kind einfach so abzugeben, die Du jetzt im Kopf hast, für euch so nicht funktionieren wird. Wenn Du das jetzt schon wüsstest, könntet ihr euch gleich andere Strategien erarbeiten. Aber vielleicht braucht es auch den Weg, um so zusammenzuwachsen wie ihr es tun werdet.

Deshalb will ich Dir auch keine großen Tipps geben. Ich will Dir vor allem sagen, dass es schön wird! Du wirst viel öfter glücklich und zufrieden sein als unglücklich. Und Du wirst ganz ohne Hilfe noch einmal schwanger werden, auch wenn das für Dich gerade nicht vorstellbar ist. Es wird so sein. Du siehst also, vor Dir liegt eine Zeit, die anstrengend, wundervoll und intensiv ist. Und doch wird es die schönste Zeit Deines Lebens. 

Deine Julia aus der guten Kinderstube  

4 Comments

  • Sehr berührend! Und immer wieder Wahnsinn, wie sich unsere Familienentstehungsgeschichten ähneln. Auch meine Haltung zum Thema "Erziehung" hat sich komplett geändert, seit ich selbst Kinder habe. Allerdings wäre ich gern als Mutter so im Einklang wie Du. Ich hadere und zweifle viel mehr und muss mein Bedürfnis nach Erholung und Abstand immer wieder gegen die verständlichen Interessen meiner anhänglichen Kinder verteidigen, um selbst nicht verloren zu gehen. Das ist emotional echt schwierig für mich…
    Ich wünsche Dir für die restliche Schwangerschaft und Geburt viel Kraft und Unterstützung!
    Liebe Grüße!

  • Julia sagt:

    Danke Dir, Du Liebe! Meine Tochter hat es mir aber auch echt leichter gemacht. Sie ist kein besonders anstrengendes Kind und trotzdem habe ich es auch immer mal wieder als Herausforderung empfunden, so eng verbunden zu sein. Und dann kommt ja jetzt auch erst noch der Sohnemann… Also mal sehen 🙂
    Liebe Grüße!!

  • Angie I. sagt:

    Hallo 🙂
    ich habe dich nominiert für den "Liebster Award".
    Ich würde mich freuen, wenn du mitmachst.
    http://mamamachtpause.blogspot.de/2015/09/liebster-award-nominierung.html
    Liebe Grüße ♥ Angela
    http://mamamachtpause.blogspot.de

  • Frau JoLou sagt:

    Durch die Elternbloggerkarte habe ich Dich entdeckt, fast um die Ecke 🙂
    In ein paar Jahren wirst Du diesen Brief an Dich sicher gerne lesen und vielleicht lächeln oder auch mal kopf schütteln, weil dazwischen immer so viel Leben passiert 🙂
    LG
    Martina (mit 2 Blogs, hihihi)

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